Teamwork oder: "Ich lass' dich nicht im Regen stehen!"
Beobachtet, fotografiert und geschrieben von Kristina Jago aus Gießen
Bei Wettkämpfen an die eigenen Grenzen zu gehen, ist das eine. Das andere ist es, dabei zuzuschauen, wie andere über ihre Grenzen hinauswachsen. Das ist Gänsehaut pur. Es ist das, wofür ich den Sport so sehr liebe. Auch ein 24-Stunden-Radrennen endet erst an der Ziellinie – nach 24 Stunden. Und egal, wie stark die anderen sind: Der größte Freund und Feind ist der eigene Körper.
Ich war am letzten Juli-Wochenende bei „Rad am Ring“ dabei, als Gastfahrer Tom Lentz aus Leipzig als 24-Stunden-Rennen-Debutant konstant superschnelle Rundenzeiten auf der ca. 26 km langen Nordschleife mit 560 Höhenmetern einfuhr und selbst auf der letzten Runde bei strömendem Regen noch Gesamtplätze gutmachte. Ich stand um 3:00 Uhr nachts und um 7:08 Uhr in der Frühe neben Michael Haus aus Rockenberg, während uns auf dem Nürburgring bei weniger als 50 m Sichtweite das Wasser auf dem Asphalt entgegenfloss und die Frage "Warum mache ich das hier eigentlich?" vielleicht am größten war.
Ich fühlte mit, wie die Hohe Acht immer höher und steiler und die 92 Kurven immer enger wurden, wie ein nasses Trikot nach dem anderen aufgehängt und wieder angezogen wurde, wie die trockenen Paar Socken weniger wurden. Ich lag im Teamzelt auf dem Feldbett, als Sebastian Mauthe aus Gießen mit Wadenkrämpfen von seiner Runde zurückkam und Aufgeben trotzdem keine Option wurde. Ich rechnete um 10:00 Uhr morgens mit Sportlern, denen eine komplette Nacht Schlaf fehlte, wie viele Runden vor Zielschluss noch möglich wären, während Jörg Rossberg aus Friedberg nach seiner sechsten Runde triefend nass neben seinem Rennrad im Zelteingang stand. Ich saß Oliver Harsy aus Gießen Wieseck gegenüber, als er, gerade final geduscht, entschied, für das Team und die Gesamtplatzierung nochmal aufs Rad zu steigen und alles zu geben, was eigentlich nicht mehr ging.
Ich sah zu, wie seine Frau Erika Harsy mit absoluter Hingabe und Selbstverständlichkeit für das Wohl aller Fahrer (und meines) sorgte, hörte am frühen Morgen wohlig die Kaffeemaschine vor sich hin gluckern. Was ich nicht hörte, waren Beschwerden oder Gejammer. Es gab nur eins: Vorwärts. Und so stand ich auch dabei, als der Podestplatz für das Viererteam „Rockenberg 1“ mit Oliver Harsy, Michael Haus, Jörg Rossberg und Thorsten Wolf aus Wernborn feststand – mit wenigen Sekunden Abstand nach vorne und nach hinten. Und als die Top-100-Platzierung für das „Rockenberg 2“-Team mit Sebastian Mauthe, Tom Lentz, Simon Franke aus Oppershofen und Michael Meyer aus Friedberg in den Ergebnissen auftauchte.
Wir standen gemeinsam im Zielbereich, als um 12:15 Uhr der letzte Rockenberger Fahrer die Ziellinie überquerte – mit Wasser in den Schuhen, still und überwältigt. Es sind die kleinen (sportlichen) Momente, die so viel bedeuten. Nicht unbedingt die eigenen. Sondern die der anderen. Im nächsten Jahr wollen Sie wieder in die Eifel und diesmal vielleicht mit weiteren Teilnehmern oder Mannschaften. Die Eindrücke und Erzählungen haben ansteckende Wirkung.
v.l.n.r. Sebastian Mauthe, Simon Franke,
Tom Lentz, Jörg Roßberg, Oliver Harsy,
Michael Meyer und Michael Haus
(auf dem Bild fehlt Thorsten Wolf)
Michael Haus und Kristina Jago im Regen
Michael Haus i.d. Abfahrt der Hohen Acht